Flaschen & Weisheiten
- Christoph

- 1. Dez.
- 2 Min. Lesezeit

War das eine Woche Weisheiten? Warum schon wieder bei mir?
Man glaubt es nicht – Montage zeichnen sich ja oft dadurch aus, dass man Dinge tut, die einem vielleicht am Wochenende eingefallen sind. Manchmal sogar ganz banale Dinge wie:
„Christoph, du musst endlich mal die Glasflaschen zurückbringen.“
Und ich glaub’s ja selber nicht: Ich habe sie eingepackt und mitgenommen.
Nein, nicht was ihr denkt – dass ich sie am Abend noch immer im Auto hatte.
Ganz im Gegenteil. Ich war in einem Supermarkt.
Also ab zum Rückgabeautomaten.
Und auch jetzt kommt NICHT das Drama, dass der Automat jede zweite Flasche ablehnt.
Nein, nein.
Ganz anders.
Ich komm dorthin – und da steht ein Mann.
Nicht irgendeiner, sondern ein älterer Herr mit zwei Säcken voll Pfandflaschen.
Und er ist erst bei … einem Viertel von Sack eins.
Und nicht, dass er sieht, dass ich nur VIER Flaschen habe und mich kurz dazwischenschieben lässt. Nein, er ist seelenruhig und macht sein Ding.
Meditativ. Fast schon spirituell.
Ich denke mir: Was jetzt?
Also erhöhe ich die nonverbale Kommunikation.
Ich rücke näher.
Ich stelle mich einen Meter vor ihn hin und schaue ihn an.
Null Reaktion. Absolut null.
Ich frage mich:
Sieht er mich nicht?
Ist er stockblind?
Ignorant?
Oder muss er später noch zum Arzt?
In diesem Moment gehen 100.000 Vorurteile durch meinen Kopf.
Nach gefühlten 10 Minuten – vielleicht waren es auch nur 2 – dreht er sich plötzlich um, lächelt mich an und fragt in seiner unverkennbar deutsch-chinesischen Aussprache:
„Kennen Sie Tai Chi?“
Ich denke – und vermutlich sage ich es auch laut: „Oida…“
(Kurze Erklärung: „Oida“ ist in Wien nicht zwingend eine Altersangabe.
Es ist eher die elegante Form eines emotionalen Seufzers.)
Dann sage ich:
„Ist nicht Ihr Ernst… Sie wollen mir jetzt etwas über Geduld und Gelassenheit erzählen?“
Er nickt. Gelassen wie ein Buddha auf Urlaub.
Und dann kommt seine Weisheit:
„Wer im Ärger rennt, kommt später an als jener, der im Frieden geht.“
Gut. Okay. Der kam irgendwie an.
Der Mann war offensichtlich nicht nur Pfandrückgeber, sondern spiritueller Großmeister.
Ich stehe da, kurz vor erleuchtet, und überlege, ob ich eine Flasche als Opfergabe dalassen soll.
Und dann passiert’s:
Er hebt die Hand, stoppt seine Rückgabezeremonie und sagt:
„Sie geben vor. Der schnelle Mensch geht zuerst. Der ruhige Mensch geht weiter.“
Ich: „Das klingt… nett. Und ein bisschen wie ein Kursangebot.“
Er: „Dienstag, 18 Uhr. Tai-Chi für Anfänger. Erste Stunde gratis. Sie haben Talent – Sie sind unruhig.“
Und dann beginnt er zu lachen.
Und ich auch.
Und die Frau hinter mir – die seit Minuten mit ihren zwei Red-Bull-Dosen wartet – stimmt ebenfalls ein.
Zum Abschied sagt er:
„Manche Tage lehren Geduld. Manche Menschen üben sie mit uns.“
Ich nicke.
Ich verbeuge mich leicht.
(Weiß nicht warum, aber es passte.)
Und gehe von dannen mit dem Eindruck, eine philosophische Privatstunde erhalten zu haben.
Ich sag wie’s ist:
Montage sind manchmal besser als jede Therapie.



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