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Die Kunst, nichts zu verpassen

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Heute Abend hätte ich überall sein können.

Wirklich überall.


Ich hätte mich fein anziehen können – oder zumindest so tun.

Ich hätte auf ein Event gehen können, bei dem man Namensschilder trägt, die größer sind als der eigentliche Gesprächsinhalt.


Ich hätte bei einem Empfang stehen können, ein Glas in der Hand, das man nie ganz austrinkt, und Gespräche führen können, die mit „Ahhh, spannend…“ beginnen und mit „Wir bleiben in Kontakt“ enden – ohne dass jemals jemand weiß, wie genau.


Ich hätte zu einer Vernissage gehen können, bei der alle sehr ernst schauen, obwohl sie eigentlich nur hoffen, erkannt zu werden.


Ich hätte auf eine Einladung reagieren können, die mit „Ganz ungezwungen“ beginnt und genau das Gegenteil meint.

Ich hätte sogar auf eine dieser Abende gehen können, bei denen man sich nach zwanzig Minuten fragt, ob man sich heimlich davonschleichen darf oder ob das gesellschaftlich schon als Flucht gilt.


Und ja.

Es wäre sogar ein Tanzabend möglich gewesen.

Einer von der Sorte „eh locker, schauen wir halt“.

Aber mit meinem Fuss ginge das heute gar nicht.


Ich hätte also.

Aber ich habe nicht.

Stattdessen habe ich mich für etwas entschieden, das heute fast schon subversiv wirkt:

für nichts.


Kein Dresscode.

Keine Erwartung.

Kein Erklären, warum man früher geht.

Kein inneres Mitrechnen, ob sich der Abend „auszahlt“.

Kein Smalltalk-Jackpot, kein Networking-Bingo, kein „Du, wir müssen dann eh bald…“.


Es gibt diesen stillen Moment, in dem man merkt:

Man verpasst gerade gar nichts.

Im Gegenteil.

Man gewinnt Zeit.

Ruhe.

Gedanken, die nicht unterbrochen werden.

Ein Glas, das man austrinkt, weil man es will – nicht weil man es festhält.


Früher nannte man das vielleicht Absagen.

Heute ist es eher eine Art Luxus.

Ein leises Nein zu allem, was laut ruft.

Und ein sehr klares Ja zu sich selbst.


Ich mag diese Abende.

Sie fühlen sich nicht spektakulär an.

Aber ehrlich.

Wie ein guter Call am River, bei dem man nichts beweisen muss.

Man sitzt einfach da und weiß:

Passt.

Und trotzdem ist es sehr spät geworden🤪


Ich sag, wie’s ist.

Und das Beste daran?

Niemand fehlt.

Man selbst auch nicht.


 
 
 

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