Leere Köpfe machen mehr Lärm
- Christoph

- vor 1 Tag
- 3 Min. Lesezeit

Vor ein paar Tagen, vor der Zentrale einer großen Bank - ich hatte noch ein paar Minuten Zeit zum Termin.
Vor mir zwei Männer, die so angeregt diskutierten, dass man meinen konnte, sie würden gleich die UNO einberufen. Es ging – wie ich bald merkte – um die EU.
Und zwar darum, dass 21 Staaten viel zu viel sind!????? HEEEEEEE????
(Wer ist da von gestern auf heute ausgetreten, hab ich mich gefragt 😂)
Neben ihnen eine Frau, die ihr Handy auf Lautsprecher gestellt hatte und über ihre Social-Media-Timeline sprach, während alle unfreiwillig mithören mussten.
Sie war sich absolut sicher, wie „die Wahrheit“ aussieht.
Zumindest bis zum nächsten Update ihres Feeds.
Und ich dachte mir:
Da stehen eine Hand voll Menschen, die alle reden – und trotzdem wird nichts gesagt. Nur Lärm. Kein Inhalt - zumindest keiner mit Wahrheitsgehalt.
Es gibt ein uraltes Gesetz der Physik – nein, nicht das mit der Schwerkraft, sondern eines, das in keinem Lehrbuch steht: Leere Köpfe machen mehr Lärm.
Das ist so sicher wie der Applaus beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.
Stell dir einen alten Holzkübel vor, der leer auf einem Feld steht.
Der Wind kommt, ein kleines Lüftchen nur, und der Kübel klappert, scheppert und macht auf sich aufmerksam, als wäre er die Hauptattraktion dieses Feldes.
Füllst du ihn mit Wasser, Steinen oder – sagen wir – ein paar gescheiten Gedanken, dann bleibt er ruhig.
Der Wind geht weiter, aber der Kübel steht einfach da. Elegant. Gefasst.
Und genau so ist es mit uns Menschen.
Je leerer es im Kopf, desto lauter wird oft die Stimme.
Manche Menschen kann man hören, bevor man sie sieht.
Nicht, weil sie singen oder jodeln, sondern weil ihre Worte wie eine Parade von leeren Konservendosen klingen, die hinten an ein Hochzeitsauto gebunden sind.
Krach ohne Inhalt. Lärm ohne Bedeutung.
Und dieses Geklapper bleibt nicht allein.
Es zieht andere leere Kübel an.
Das ist wie bei Social Media:
Einer schreit „Feuer!“, und ehe du dich versiehst, löschen 1.000 Leute einen Brand, den es nie gegeben hat.
Nicht, weil sie nachgesehen haben, ob es brennt – sondern weil der Ruf lauter war als der Gedanke.
Plötzlich wird aus einem kleinen Geräusch ein ohrenbetäubendes Echo.
Es geht nicht mehr darum, was wahr ist oder klug.
Es geht nur noch darum, wer am lautesten schreit und wer den größten Verstärker hat.
Und manchmal merkst du gar nicht mehr, dass du nur ein weiteres Echo bist.
Dass die Worte, die du gerade sagst, gar nicht deine eigenen sind.
Sie wurden dir schon vorgekaut – du hast nur den Löffel in der Hand.
Das Gefährliche daran?
Man hört irgendwann auf, sich selbst zu fragen:
„Glaube ich das wirklich – oder sage ich es nur, weil alle es sagen?“
Denn das würde ja bedeuten, still zu werden.
Und Stille ist schwer.
Stille zwingt dich, nachzudenken.
Lärm lenkt dich ab.
Vielleicht liegt es genau daran, dass wir heute lieber klappern als nachdenken.
Denn Lärm füllt den Raum.
Stille füllt die Gedanken.
Und manchmal, seien wir ehrlich, wollen wir gar nicht so genau wissen, was wir selbst denken würden, wenn es still wird.
Stell dir vor, Social Media wäre plötzlich 24 Stunden lang komplett stumm.
Kein Post, kein Like, kein Kommentar.
Nur absolute Ruhe.
Und noch spannender: Stell dir vor, die eine Person, die dir Tag für Tag unterschwellig vorgibt, was du zu denken hast – ohne dass du es überhaupt merkst – würde ebenfalls für 24 Stunden schweigen.
Kein Hinweis, keine subtile Richtung, kein „Das solltest du so sehen“.
Nur Stille.
Du würdest dich kurz orientierungslos fühlen, vielleicht sogar verloren.
Und genau in diesem Moment, wenn du beginnst, selbst zu denken, meldet sie sich zurück – lauter, klarer und überzeugender als je zuvor. So ein Zufall.
Und du?
Du glaubst, endlich wieder auf Spur zu sein.
Dabei hast du einfach nur aufgehört, selbst nachzudenken.
Das, meine Lieben, glaube ich wissen wir alle was das ist.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich sag’s, wie’s ist:
Ein bisschen weniger Lärm – und ein bisschen mehr eigene Gedanken – könnten die Welt verdammt leise, aber auch verdammt ehrlich machen.



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